Ziel: Watzmann Ostwand via Berchtesgadener Weg
Höhe: 2712m
Datum: 17.08.2014
Tourbegleitung: Tobi
Nach etwas Vorbereitung ist es jetzt soweit für mein Highlight des Jahres auf das ich mich schon seit Wochen freue, die Watzmann Ostwand über den Berchtesgadener Weg. Im bisher alles andere als schönen Sommer gibt es ein 2 tägiges Schönwetterfenster und für Tobi und mich ist es zeitlich machbar. Zunächst ein paar interessante Daten zu dieser Wand:
- Die Wandhöhe beträgt 1800 HM, was sie zur höchsten Wand der Ostalpen macht.
- Hermann Buhl bestieg die Ostwand via Salzburger Weg im Alleingang in einer Winternacht als finale Prüfung für seine legendäre Nanga Parbat Erstbesteigung.
- Bis jetzt zählt die Wand ganze 103 Todesopfer.
- Die Eiskapelle ist das niedrigst gelegene ganzjährige Schneefeld der Alpen (930m).
- Der (für mich unvorstellbare) Geschwindigkeitsrekord für die Durchsteigung wurde 1988 von Albert Hirschbichler in 2h:12m aufgestellt.
- Schwierigkeitsgrad Berchtesgadener Weg: bis III+/A0.
Nachdem in einer Wand GPS wenig sinnvoll ist und die Wegfindung in der Ostwand eine der Hauptschwierigkeiten ist, ist es notwendig sich bereits im vorhinein Gedanken darüber zu machen. Wir haben einige Beschreibungen gelesen, Bilder und Topos ausgedruckt sowie das Buch Watzmann Ostwand von Franz Rasp gekauft und studiert. Als äußerst hilfreich für die Navigation erweisen sich zusätzlich barometrische Höhenmesser. Einen ungefähren Überblick über unsere Route bekommt man im folgenden Bild:
Einen Eindruck von der Wanddimension kann man sich machen, indem man das folgende Bild als Vergleich heranzieht. Es ist im Abstieg von der Mittelspitze aus aufgenommen. Auf der Südspitze sind bei genauerer Betrachtung Menschen zu erkennen und der Pfeil weist auf die Biwakschachtel hin (hoher Zoom notwendig), die sich wie im vorigen Bild ersichtlich allerdings bereits im oberen Teil der Wand befindet.
Bereits am Vortag überqueren wir mit dem letzten Schiff den Königsee nach St. Bartholomä um die Nacht im Ostwandlager zu verbringen (Preis Schiff one-way: 7,5€, Ostwandlager 11€ für AV Mitglieder, 22€ sonst). Das hat gleichzeitig den Vorteil das man von vorherein einen Überblick bekommt wie viele Personen sich etwa in der Wand aufhalten werden (Steinschlag) und das man sich ggf. verabreden kann. Das Wetter sieht aktuell noch alles andere als gut aus, es regnet die meiste Zeit und es ist relativ kalt. Man kann nur hoffen, dass der Wetterbericht Recht behält. Die Zeit bis es Dunkel wird verbringen wir auf St. Bartholomä noch mit einem kleinen Spaziergang zur Eiskapelle als Erkundungstour nachdem das Restaurant dort bereits mit dem letzten Schiff des Tages schließt. Viel mehr als Zeit totschlagen ist es allerdings nicht, da der Watzmann bereits oberhalb des Schuttkars komplett wolkenverhangen ist.
Obwohl die Nacht im Ostwandlager ungewöhnlich ruhig für ein Lager dieser Art ist (geschätzt um die 10 Leute) bekomme ich nicht viel Schlaf ab. Zunächst weil es für mich eher ungewohnt ist um 21:00 ins Bett zu gehen und etwas Nervosität kommt auch noch hinzu. Unser Wecker läutet um 04:15, ein Bergführer mit Gast ist bereits um 3:30 aufgebrochen. Eher zufällig ergibt es sich, das ebenso wie wir alle restlichen Leute im Ostwandlager 05:00 als Startzeit angepeilt haben. Wahrscheinlich deshalb, weil es ab 06:00 hell wird und die Orientierung ab Eiskapelle in der Dunkelheit bereits schwierig wird. Etwas erschreckend haben wir beim klingeln des Weckers feststellen müssen, dass es nach wie vor regnet und es angeblich sogar den Großteil der Nacht durchgeregnet hat; im Regen in die Ostwand aufzubrechen wäre wohl eher suboptimal. Aber bereits während des kurzen Frühstücks hört der Regen auf und wir riskieren den Aufbruch (umkehren kann man ja immer noch). Wir gehen mit Stirnlampen in der Dunkelheit noch unabhängig von den anderen Anwärtern los und kommen wiederum gegen 06:00 zufällig alle gleichzeitig bei der Eiskapelle an. Nachdem es vom Tempo her gut passt führen wir die restliche Besteigung bis zur Südspitze als 6er Gruppe durch und im Anschluss die Watzmannüberschreitung sowie den Abstieg als 4er Gruppe.
Bei der Eiskapelle begrüßt uns die Wand gleich mit einem lauten, dumpfen Knall: Im inneren der Eiskapelle muss wohl ein Stück Eis abgebrochen sein; der Regen in er Nacht wird seinen Teil dazu beigetragen haben. Aufgrund der Perspektive ist die tatsächliche Größe der Eiskapelle auf dem Foto nicht zu erkennen; man könnte wohl theoretisch ein Haus hinein stellen. Auch jetzt ist der obere Teil der Wand noch wolkenverhangen.
Der erste Teil des Weges ist klettertechnisch noch sehr leicht und die Sonne wirft auch bald ihre ersten Strahlen in die Wand. Nichtsdestotrotz ist die ganze Wand ziemlich durchnässt was sich so schnell leider auch nicht ändern wird, wodurch sich die Kletterei später ein wenig schwieriger gestalten wird. Bis zum Schuttkar geht es gut voran, nur ein paar Mal müssen wir kurz stehen bleiben um uns zu orientieren.
Nachdem wir das Schuttkar erreicht haben wird es jetzt langsam ernst. Immer wieder müssen wir stehen bleiben und anhand der Skizzen, Fotos und Beschreibungen in Kombination mit den Höhenmessern den Weg zu finden. Manchmal verlaufen wir uns auch ein klein wenig, aber wir kommen immer früh genug darauf wenn wir falsch dran sind, so dass wir dadurch nicht extrem viel Zeit verlieren. Der Bergführer kommt uns überraschend mit Gast entgegen; sie haben umgekehrt. Vor der Wasserfallplatte, der ersten Schlüsselstelle werden wir noch von einer flotten Gruppe überholt die nicht im Ostwandlager genächtigt hat. Beobachtet haben wir die Gruppe unter uns schon länger und auch alles daran gesetzt möglichst keine Steine zu lösen; leider nicht immer erfolgreich: „Steeeein“. Insgesamt befinden sich jetzt somit ~12 bis 15 Leute in der Wand.
Direkt unter der Wasserfallplatte holen wir die andere Gruppe wieder ein, da sie diese gesichert gehen. Wir verzichten darauf wodurch es sich ein klein wenig staut.
Ab der Wasserfallplatte, inklusive dieser beginnt jetzt die ernsthaftere Kletterei, alles erschwert durch die Nässe und die Temperatur. Teilweise bekommen wir klamme Finger mit denen es ohne Gefühl schwierig ist zu Klettern.
Leider wird mir das Klettern mit ausgepackter Kamera ab jetzt zu umständlich, nachdem sie auch schon ein paar mal unangenehmen Kontakt mit Fels gemacht hat. Deshalb wandert sie jetzt in den Rucksack und es gibt bis zum Gipfel kaum mehr Fotos. In der Gipfelschlucht wird die Kletterei wieder etwas einfacher, aber trotzdem oft sehr ausgesetzt.
In der Gipfelschlucht sind wir einmal Steinschlag ausgesetzt. Rund um uns schlagen bis zu cm dicke Geschosse ein. Uns bleibt nur uns an die Wand zu kauern und warten bis es vorbei ist. Eigentlich nur durch Glück gibt es keine Verletzungen. Ein kleinerer Stein hat einen Helm von jemandem aus unserer Gruppe getroffen und seine Spuren hinterlassen. Bis zum Biwak geht es in mäßig schwerer Kletterei weiter. Dort angekommen machen wir eine kleine Pause zur Stärkung und tragen uns in das Wandbuch ein. Ab dem Biwak kommt der was das Klettern betrifft gefühlt schwierigste Teil (mit Ausnahme der Wasserfallplatte). Mehrere ausgesetzte Stellen im III. Grad sowie die Schlüsselstelle in III+/A0 (entschärft durch eine Steigschlinge, sonst schwieriger). Teilweise ist auch hier die Orientierung noch relativ schwierig, bei einer IIIer Stelle an der wir uns absolut unsicher sind können wir zum Glück die in den Topos eingezeichneten Bohrhaken entdecken um uns zu vergewissern.
Gegen 13:00 erreichen wir ca 1 Stunde später als erhofft aber im Rahmen bleibender Zeit die Südspitze (die Nässe, Temperatur sowie ab und an ein wenig Schnee hat es nicht gerade vereinfacht) wo sich bereits einige Leute von der Watzmannüberschreitung kommend tummeln. Das Seil ist tatsächlich über die ganze Tour im Rucksack geblieben.
Für den Abstiegsweg nach einer Stärkung auf der Südspitze haben wir nicht den nach der Ostwandbegehung eher üblichen Weg über das Wimbachgries im Sinn, sondern die Watzmannüberschreitung sowie Abstieg über das Watzmannhaus. Vom Gipfel aus ist bereits ersichtlich, dass der Grat etwas verschneit und vereist ist. Steigeisen haben wir aus Gewichtsgründen nicht dabei; wir haben damit auch nicht ganz gerechnet. Nachdem wir uns aber über den Zustand des Weges erkundigen entscheiden wir uns dennoch für diesen Abstiegsweg. Vielleicht ist es sogar von Vorteil, da uns bei guten Bedingungen viel mehr Leute auf dem Grat entgegen kommen würden nachdem wir die einzigen sind die gegen die übliche Richtung gehen.
Auch bei der Überschreitung ist nochmal ein wenig Kletterei gefragt, aber nichts mehr im Vergleich zur Ostwand. Und das ist auch ganz gut so, sind wir doch bereits etwas ausgelaugt nachdem wir schon viele anstrengende Stunden unterwegs sind.
Die Überschreitung ist wie erhofft traumhaft schön. Zwar ist sie teilweise versichert, aber eben nur teilweise. Deshalb müssen wir aufgrund des Schnees und Eises an vielen Stellen ordentlich aufpassen um nicht noch im Abstieg einen Unfall zu riskieren. Bis zur Mittelspitze können wir öfter noch einen wunderbaren Blick in die Ostwand genießen und auch ganz klein die Biwakschachtel ausmachen bei der wird vor nicht all zu langer Zeit noch waren.
Beim Watzmannhaus angekommen legen wir nochmals eine kleine Pause ein und trinken noch ein Abschlussbier. Der Weg zwischen Hocheck und Watzmannhaus über einen einzigen Geröllhaufen zieht sich ein wenig, Tobi ist schon etwas vorausgeeilt. Viel Zeit lassen wir uns aber nicht mehr, nachdem die Zeit schon fortgeschritten ist und wir im Anschluss auch noch nach Graz zurück fahren wollen. Jetzt stehen uns „nur noch“ ~4 Stunden Abstieg bis zum Auto bevor und die zieeehen sich. Aber gewusst haben wir das bereits im vorhinein deshalb dürfen wir uns nicht beschweren. Letztendlich erreichen wir gegen 21:30 das Auto. Insgesamt waren wir also 16,5 Stunden unterwegs von denen mindestens 15 Stunden reine Kletter/Gehzeit waren. Beim Auto angekommen verabschieden wir uns noch von den beiden Mädls und treten etwas erschöpft die Heimfahrt an.
Fazit:
Die lange Vorfreude war nicht umsonst, eine großartige Tour die es in sich hat. Und zwar in mehreren Hinsichten: Zunächst natürlich die enorme Dauer (~15 Stunden reine Kletter/Gehzeit) sowie die zurückgelegten Höhenmeter (mit Überschreitung sicher mehr als 2500). Hinzu kommt die oft ausgesetzte Kletterei in Nässe und Kälte. Die Stellen gehen zwar nicht über einen Grad von III+/A0 hinaus, aber nachdem zumindest der Großteil aus zeitlichen Gründen seilfrei gemacht werden muss, müssen da auch erstmal die Nerven mitspielen nachdem es oft 1000m oder mehr steil bergab geht und ein Fehler tödlich sein kann. Ein wichtiger Punkt, wenn nicht der wichtigste ist auch die schwere Orientierung. In unserer Gruppe haben wir uns ganz gut ergänzt und nicht sehr viel Zeit damit verloren, nachdem sich jeder selbst voll darauf vorbereitet hat; das könnte wohl auch anders ablaufen. Die Besteigung in der Gruppe war ziemlich sicher auch für die Moral der Beteiligten von Vorteil. Gegen die objektive Gefahr des Steinschlags kann man leider wenig machen, aber damit muss man bei einer derartigen Tour natürlich rechnen. Letztendlich hat sich die abschließende Watzmannüberschreitung landschaftlich auch voll ausgezahlt, auch wenn aufgrund der Bedingungen nochmal erhöhte Aufmerksamkeit von Nöten war.
Es hätte zum guten Ton gehört, mich bei Nutzung meines Bildes (erstes in der Serie) zu informieren.
Siehe auch Profil:
https://www.flickr.com/people/leclou/
Ist garnicht so schwierig.
Gruß,
Michael
Mea culpa, auf die Lizenzbedingungen habe ich natürlich Rücksicht genommen bei der Bildauswahl, auf die Personenbeschreibung aber nicht geschaut, zugegeben. Ich hoffe somit, es geht in Ordnung. Eine Emailadresse in dieser Beschreibung wäre aber in dem Fall auch von Vorteil, wüsste sonst gar nicht wie ich kontaktieren soll 🙂
Geht in Ordnung.
E-Mail Adresse ist rechts auf der Profilseite und zusätzlich im Exif jedes Bildes (bei den neueren Bildern sogar zwei verschiedene).