Ziel: Großvenediger
Route: Nordgrat
Höhe: 3657m
Datum: 16.08.2020
Tourbegleitung: Bene, Johannes, Alex
Bereits vor 2 oder 3 Jahren stand ich schon einmal am Einstieg zum Großvenediger Nordgrat. Damals meinte es das Wetter nicht gut mit uns und es lies eine Nordgrat Begehung schließlich nicht mehr zu. Dieses mal sollte es hoffentlich besser klappen – verspricht der Wetterbericht, zumindest am Sonntag und zumindest bis zum späteren Nachmittag, stabiles Wetter.
Am Vortag, dem Anreise- und Hüttenzustiegstag ist es noch ein wenig durchwachsener und wir sparen uns den längeren Zustieg bis zur Materialseilbahn indem wir auf das Taxiangebot zurück greifen. Mit dem Hüttentaxi reduziert sich der Zustieg auf gute 500 HM und je nach Tempo etwa eine Stunde. Und dies bereits in toller Landschaft, stets mit dem Großen Geiger vor den Augen.
Die Hütte ist komplett ausgebucht, dank eigenem Zimmer haben wir dennoch eine ruhige Nacht. Kurz vor der Morgendämmerung, etwa gegen 05:30 brechen wir schließlich mit Stirnlampen bei wolkenlosem Himmel auf. In der Morgendämmerung wirkt der Nordgrat, der sich langsam immer mehr ins Blickfeld rückt, noch recht düster.
Viele andere Seilschaften sind gleichzeitig auf dem Weg den Großvenediger am Normalweg zu besteigen, wovon viele mit uns am Anseilplatz kurz vor dem Gletscherkontakt zusammentreffen. Dieser stellt sich mit Steigeisen am von der Nacht noch verfestigten Schnee als recht angenehm begehbar heraus.
Ein ganzes Stück folgen wir noch dem Normalweg bis auf eine Höhe von etwa 2920m wo wir uns anschließend in einer 90 Grad Kurve unserer Route zuwenden.
Gute 300 HM müssen von hier noch überwunden werden bis man am Einstieg steht. Kurz davor geht der Gletscher bereits in Fels über und wir können uns der Steigeisen entledigen.
Am Einstieg kann man bereits ein herrliches Panorma genießen: Hinten das Obersulzbachkees insklusive dem Keeskogel, einem in Relation einfach zu erwanderndem tollen Aussichtsberg, und vorne der Weg auf dem wir die nächsten Stunden verbringen werden, der Großvenediger Nordgrat.
Von hier sieht der Grat eigentlich relativ sanftmütig und nach einem Spaziergang aus – ganz so einfach ist es dann aber doch nicht. Nicht ganz damit gerechnet erwartet uns gleich mal nach dem Einstieg die gefühlte Schlüsselstelle der Tour: Eine IIIer Abkletterstelle. Laut Topo soll es irgendwo einen fixen Klemmkeil geben – bereits auf der Hütte waren aber Informationen darüber zu finden, dass es diesen offenbar nicht mehr gibt. Wir suchen uns jedenfalls die unserer Ansicht nach logischste Abkletterstelle und ich wage mich – jetzt mit dem Seil von oben gesichert – daran. Trotz Sicherung von oben und einem bombenfestem Klemmkeil als Zwischensicherung stehe ich irgendwann vor einem kleinen Überhang und entscheide mich letztendlich dafür mich ablassen zu lassen. Nach einem IIIer fühlt sich das für mich nicht ganz an. Bene und Alex folgen mit der selben Methode und Johannes entscheidet sich dann trotz Angebot die Bandschlinge zurück zu lassen für Abklettern was er irgendwie auch souverän meistert. Ich bin nicht ganz sicher, ob wir die leichteste Stelle erwischt haben – wenn dann kann ich aber empfehlen eine Bandschlinge zurück zu lassen; eine gute Sicherungsmöglichkeit um einen Block ist zumindest vorhanden. Auf deutlich einfacherem Gelände und nun auch wieder ohne Seil geht es in Ier bis IIer Gelände weiter Richtung Keidelscharte.
In die Keidelscharte hinab wird es nochmals etwas kniffliger. Den besten Weg muss man sich selber suchen und man könnte hier durchaus nochmal überlegen sich anzuzeilen, obwohl in der Topo nur mit I-II beschrieben. Oder wir sind schlicht zu direkt über den Grat und man hätte es sich etwas leichter machen können wenn man etwas links am Turm vorbei geht – auch nicht ausgeschlossen (zumindest scheint es im Nachhinein Betrachtet in der Topo so angedeutet).
Die Keidelscharte schließlich lässt sich gut ohne Steigeisen überwinden und weiter geht es mit netter, nicht all zu schwieriger aber dennoch manchmal etwas ausgesetzter Kletterei (wie fast überall am Grat) über den Torwächter in die Meynow Scharte. Auch der Abstieg in diese ist dieses Mal eher einfach. Viele Nordgrat Begeher steigen über diese Scharte erst in die Route ein um sich die Rosinen des Gratanstiegs heraus zu picken.
Nach der Maynow Scharte geht es in 1-2 Seillängen in toller Kletterei erstmals etwas steiler hinauf, wobei man sich den Weg etwas suchen muss. Leute die es gerne schnell haben können dieses Stück sicher auch noch ohne Seil bewältigen, ich habe mich allerdings mit Seil durchaus wohler gefühlt. Der Fels lässt sich jedenfalls sehr gut absichern. In der 2ten Seillänge beginnt der Fels sich langsam schon wieder zurück zu legen, weshalb wir das Seil danach schon wieder verstauen.
Bis zur Schlüsselstelle, der Bösen Platte, geht es eine ganze Weile in stets netter, aber durchaus auch etwas ausgesetzter Kraxelei dahin. Die Schlüsselstelle wird schließlich durch den Breiten Riss eingeleitet.
Kurz bevor wir in die Schlüsselpassage starten, seilen wir uns wieder an. Der Breite Riss selbst bis zum ersten Standplatz ist nicht sehr schwer. Mit Friends kann man die Stelle bei Bedarf auch zusätzlich noch ganz gut absichern. Nachdem man am Standplatz angekommen ist steht man schließlich vor der Bösen Platte. Etwas überrascht waren wir dort vor der Absicherung: Steckt im restlichen Grat kein einziger Haken, so ist diese Seillänge quasi plaisir-mäßig abgesichert. Dafür ist sie für eine IV- aber eigentlich auch gar nicht ganz einfach, muss man doch mit den schweren Bergschuhen in feine Risse steigen. Durch die gute Absicherung ist die Überwindung jedenfalls purer Genuss. Es empfiehlt sich nach dem oberen Stand gleich noch 3-4 m weiter zu gehen die ohne Seil eventuell eher unangenehm sein könnten. Für den letzten Teil bis zum Gipfel verstauen wir das Seil schließlich wieder. Oben angekommen haben wir das Privileg den Gipfel ganz für uns zu haben.
Um nach Möglichkeit noch ein Taxi von der Materialseilbahn für den langen Abstieg zu erwischen (schließlich steht noch eine lange Heimfahrt bevor) halten wir die Zeit am Gipfel dennoch relativ kurz.
Nachdem man beim Abstieg nicht sehr tief im Schnee versinkt obwohl es schon nach Mittag ist kommen wir auch äußerst schnell voran – immer mit Blick auf den Nordgrat um den Aufstieg Revue passieren zu lassen.
Der Gletscher selbst ist jedenfalls sehr trügerisch an diesem Tag: Viele oft schwer sichtbare Spalten sind gerade mal so von wenig Schnee bedeckt. Kaum zu glauben, dass wir vom Grat aus am Morgen 2 Leute ohne Seil und ohne Abstand hier absteigen gesehen haben. Pünktlich während wir im Hüttentaxi sitzen fängt es an aus Eimern zu schütten – perfekter Abschluss 🙂
Insgesamt Betrachtet handelt es sich beim Großvenediger Nordgrat um eine grandiose Tour. Um sie mit dem Stüdlgrat zu vergleichen was die Schwierigkeit betrifft ist zwischen meinen beiden Anstiegen zu viel Zeit vergangen (viel nimmt es sich wohl nicht), aber im Vergleich zum Großvenediger Nordgrat kann man den Stüdlgrat von der Absicherung her wohl als Plaisir bezeichnen; zusätzlich muss man sich halt am Großvenediger selbst mehr um die Wegfindung kümmern. Wenn man in der Meynow-Scharte einsteigt kann man die Kletterzeit etwa auf die Hälfte reduzieren und hat zusätzlich den schönsten Teil des Anstiegs vor sich; aber wer macht schon gern halbe Sachen?